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am 6. Juni 1944 zum zweiten Mal von der Gestapo verhaftet. Es folgte ein Verfahren wegen
Vergehens gegen das Heimtückegesetz {Wehrkraftzersetzung). Am 8. Juli 1944 wurde er aus
der Haft entlassen.77 Uber das Ende des Verfahrens sagte Zirlewagen später: Nur dem Zufall
und dem Wohlwollen des Oberstaatsanwalts Dr. Weiss, Freiburg, ist es zu verdanken, daß ich
nach 2 Monaten auf freien Fuß gesetzt wurde. Der Tatbestand hätte leicht für ein Todesurteil
gereicht™ Als weiteren Grund für seine Freilassung gab er an: Die Sache sah für mich sehr ungünstig
aus. Aber die Zeugen bekamen es mit der Angst zu tun, als die alliierten Truppen immer
näher kamen, sodaß die Sache nach einiger Verschleppung mangels Beweis eingestellt wurde.79
Zirlewagen sprach auch davon, dass Weiss vorschriftswidrige Hilfe geleistet habe. Damit war
er einer von zahlreichen Personen, denen Weiss Hilfe leistete. Weiss selbst gab an, dass er von
362 anhängigen Verfahren vor dem Sondergericht Freiburg lediglich für 135 ein Hauptverfahren
eröffnet habe. Im Falle von Verurteilungen habe er bei Verfahren gegen politische und weltanschauliche
Gesinnung von hohen Strafen abgesehen und Härten durch Gnadenerweise abgemildert
habe.80 Seine heutige Beurteilung gilt als nicht einfach. Heiko Haumann sieht ihn als „Rädchen
im Getriebe des Nationalsozialismus" an, obwohl er dem NS-System in vieler Hinsicht
ablehnend gegenüber gestanden und seine Stellung genutzt habe, um Bedrängten beizustehen.81
Zeit der Verantwortung: Haft und Entnazifizierung
Nach Kriegsende wurde Zirlewagen in Heitersheim symbolisch zur Verantwortung gezogen.
Sein Name stand auf einer Schwarzen Liste der Gemeindemitglieder, die eine führende Rolle
in der NSDAP gespielt hatten und durch die andere Nachteile erlitten hatten, an erster Stelle.
Er sollte in der Gemeinde zur Sühne zu Arbeitsleistungen herangezogen werden.82 Es gelang
Zirlewagen jedoch, Landrat Bachmann davon zu überzeugen, ihn von den Arbeitsleistungen
freizustellen. Bachmann gegenüber entwickelte er eine Abwehrstrategie, die er auch bei seiner
späteren politischen Säuberung anwenden sollte. Diese stand im Gegensatz zu seinen Darstellungen
im Zuge der Auseinandersetzungen mit Kreisleiter Erley gegenüber dem Badischen Bezirksamt
Staufen. Dort hatte er sich 1935 als im striktesten Gegensatz zur Weimarer Republik
dargestellt. Er habe Mut und Standhaftigkeit gegen das katholische Umfeld bewiesen und durch
sein vielfältiges Engagement für den Nationalsozialismus persönlich und geschäftlich schwer
gelitten. Nach dem Umsturz habe er praktischen Nationalsozialismus und Pflichterfüllung vorgelebt
und sich am Aufbau des neuen Staates beteiligt. Nach 1945 erschien es Zirlewagen nicht
mehr opportun, dies als Erfolg darzustellen. Nun stellte er sich als aus der NSDAP ausgestoßen
dar. Er habe keine Propaganda vor der Bürgermeisterwahl betrieben, sei als Ortsgruppenleiter
nie bestätigt und in Gegensatz zur NSDAP geraten. Außerdem habe er sich staatsfeindlich betätigt
und sei fast zum Tode verurteilt worden. Diese auf die neuen Verhältnisse besser passende
StAF, G 701/2, Nr. 2702.
Privatarchiv Marc Zirlewagen, Entnazifizierung. Undatierte Stellungnahme Gustav Zirlewagens im
Rahmen der Spruchkammer verfahren.
Ebd., Erklärung. Undatierte Stellungnahme Gustav Zirlewagens im Rahmen der Spruchkammerverfahren
.
Personalakte Dr. Eugen Weiss, StAF, C 20/5, Nr. 378.
Haumann, Heiko: Eugen Weiss, in: Nationalsozialismus in Freiburg, Begleitbuch zur Ausstellung des
Augustinermuseums in Kooperation mit dem Stadtarchiv, hg. von Peter Kalchthaler, Robert Neisen
und Tilmann von Stockhausen, Freiburg 2016, S. 162-165.
StadtAH, Box 99, Fasz. 194, Der Landrat an die Herren Bürgermeister vom 14. Juni 1945.
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