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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0196
Annette Borchardt-Wenzel: Frauen in Baden. Ein biografischer Streifzug durch die Geschichte, Verlag
Friedrich Pustet, Regensburg 2018, 246 S., zahlr. S/W-Abb.

In ihrem neuesten Buch zur Geschichte Badens beschäftigt sich die Germanistin, Historikerin und Journalistin
Annette Borchardt-Wenzel erneut mit Frauen in Baden. Dieses Mal aber nicht nur mit Gefährtinnen
von Großherzögen, sondern mit Frauen aus allen Schichten, die prägend, beispielhaft, innovativ,
leidend, verfolgt oder auch „zum abscheulichen Exempel" für ihre Zeit wurden. Diese Vielfalt an Frauenbildern
umfasst Nonnen, Bürgerliche und Adlige, Gelehrte und Wissenschaftlerinnen, Reiche und Arme,
politisch Engagierte und „Ami-Liebchen" - aber keine Künstlerinnen. Der gewählte Zeitrahmen über
900 Jahre zwang die Autorin zur Auswahl, zumal sie Lebensläufe und Wirkung dieser Frauen in „Zusammenhang
mit der Geschichte der Region" bringen wollte. Neben der Einteilung in große Zeitabschnitte
gliedern thematische Kapitel das Buch, ergänzt durch historische Einschübe zu Baden und zusätzliche
Erklärungen zu den jeweiligen Lebenswelten vergangener Epochen, auf die sich der Leser zum besseren
Verständnis einlassen soll.

Mit der Errichtung der Burg Hohenbaden um 1100 beginnt die Geschichte Badens, denn von da an
nannten sich die Markgrafen „von Baden". Unter den Markgräfinnen stechen einige besonders hervor wie
die tatkräftige und intelligente Sibylla Augusta von Baden-Baden, Ehefrau des „Türkenlouis". Sie hatte
jedoch nichts für ihre evangelischen Untertanen übrig und schränkte nach dem Tod ihres liberalen Mannes
1717 deren Freiheiten drastisch ein (S. 79). Die gebildete und wissensdurstige Markgräfin Karoline
Luise glänzte in der Zeit der Aufklärung durch ihr Kunstinteresse. Mit ihrer Sammelleidenschaft legte
sie den Grundstock für das Naturkundemuseum und die Kunsthalle in Karlsruhe (S. 105).

In einem etwas anderen Bereich taten sich Frauen wie die „Hübschierinnen" hervor. Sie sollten zur
Unterhaltung der angereisten adligen und kirchlichen Würdenträger während des Konzils in Konstanz
beitragen (S. 40), während Soldatenweiber kriegsmüden Söldnern das Leben versüßten. Selbst Nonnen
waren nicht frei von fleischlichen Gelüsten und verloren daher ihr Kloster (S. 64). Kam es zu Schwangerschaften
oder gar zu Kindstötungen, so war die von Männern dominierte Welt unerbittlich, bestrafte
und demütigte die gefallenen' Frauen. Auf deren Notlage wurde erst sehr spät durch Gründung von
Entbindungsanstalten eingegangen (S. 91).

Mit der Industrialisierung boten sich neue Möglichkeiten für Frauen, bisher unbekannte Berufe wie
den einer Fabrikinspektorin zu ergreifen (S. 100). Allerdings verschlechterten sich dadurch die sozialen
Verhältnisse für sie, denn ein Zehn-Stunden-Tag war für eine Familienmutter nur schwer zu bewältigen
, wie an der hohen Säuglingssterblichkeit zu sehen ist (S. 147). Als Lehrerin durften sie Kinder
unterrichten, aber um Zulassung zum Gymnasium oder gar zu einem Universitätsstudium hatten sie
lange zu kämpfen. So lehnte Freiburg noch 1884 das Frauenstudium kategorisch ab (S. 152). Selbst noch
1900 wurden sie lediglich „Versuchs- und probeweise" zugelassen, hatten aber danach weiterhin einen
schweren Stand. Das änderte sich auch nicht, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Die in
der Weimarer Zeit auf der politischen Bühne erworbene Emanzipation der Frauen war schnell beseitigt.
Man schickte sie wieder zurück ins kinderreiche Heim, später in die Munitionsfabriken. Davon blieb die
Reichsfrauenführerin Scholtz-Klink verschont. Diese schillernde Persönlichkeit war in dritter Ehe mit
einem SS-Obergruppenführer verheiratet, der zu ihren vier Kindern weitere sechs mitbrachte. Ein elftes
entstammte dieser letzten Ehe. Wie so viele blieb sie Zeit ihres Lebens eine überzeugte Nationalsozialistin
, die trotzdem mit einem milden Urteil aus der Entnazifizierung hervorging.

Nicht nur in dieser Vita vermisst man Lebensdaten, Quellen- und Literaturangaben. Das Literaturverzeichnis
„in Auswahl" bietet dem forschenden Leser wenig Hilfe. Die historisch kundige Autorin
wollte sich vor allem auf die Lebensereignisse konzentrieren, „die in Zusammenhang mit der Geschichte
der Region von Bedeutung sind". Ob es ihr gelang, durch die ausgewählten Lebensschicksale die Geschichte
Badens zu „verdichten", sei dem Urteil des Lesers überlassen. Ursula Huggle

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