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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0200
NSDAP am Amalienberg-Felsen bei Gaggenau mit einem Esel, sodass einen Tag lang nun gewissermaßen
statt „Wählt Hitler" weithin zu lesen war: „Wählt Hitler, [ihr Esel]". Es sind alltägliche, spontane
Aktionen aus der Bevölkerung wie diese, die den Schwerpunkt in dem Buch von Adalbert Metzinger über
den Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den jetzigen Kreisen Baden-Baden und Rastatt sowie
dem früheren Kreis Bühl bilden. Der Autor, aus Ottersweier stammender promovierter Erziehungswissenschaftler
und Pädagoge, hat in diesem Buch nach langjährigen Forschungen zahlreiche Facetten widerständigen
Verhaltens und die damit verbundenen Einzelbiographien zusammengestellt.

Nach einer Einleitung, in welcher der Autor seine persönlichen Motivationen vorstellt, folgt eine Erläuterung
des sehr weit gefassten Widerstandsbegriffs, den Metzinger seiner Darstellung zugrunde legt
und den er aus der Beschäftigung mit einschlägigen Autoren wie von Hellfeld, Bosch, Steinbach, Markmann
, Löwenthal, Broszat, Hüttenberger, Gotto, Hockerts und Repgen entwickelt hat. Metzinger spricht
sich gegen eine Verengung des Widerstandsbegriffs aus, die nur den aktiven, politisch-militärischen und
auf Umsturz zielenden Widerstand als solchen anerkennt. Vielmehr möchte er auch individuelle Aktionen
der „alltäglichen Resistenz" berücksichtigt wissen, die er mit den Begriffen „Zivilcourage", „Verweigerung
" und „Dissidenz" überschreibt (S. 15f). Es sei notwendig, „die oppositionellen Verhaltensweisen des
,kleinen Mannes4 und der ,kleinen Frau', ihr Widersetzen und ihre Verweigerungsformen im Alltagsleben
des NS-Regimes stärker zu berücksichtigen und vermehrt in das öffentliche Blickfeld zu rücken." (S.
14). Diesem Ansatz folgend beschreibt der Autor in der Folge ein großes Spektrum widerständigen Handelns
gegen das nationalsozialistische Regime. Vorgeschaltet ist noch ein Abschnitt, in dem der Autor die
Vorgehensweise der Gestapo beschreibt. Deren System stützte sich unter anderem auf Denunziationen
aus den Reihen der Bevölkerung. An Fallbeispielen von NS-Opfern schildert Metzinger, welche schlimmen
, ja tödlichen Folgen eine Denunziation bei der Gestapo haben konnte. In drei längeren Abschnitten
beleuchtet der Autor danach anhand von zahlreichen Einzelfällen den Widerstand aus der Arbeiterbewegung
(KPD und SPD), das wider ständige Verhalten, das sich innerhalb der beiden Großkirchen, aber
auch bei den „Zeugen Jehovas" entwickelte, sowie die Widerstandhandlungen mehrerer Pädagogen und
Lehrer. Eigens gewürdigt wird der bemerkenswerte Einsatz des Polizeioffiziers Werner Helfen, der im
August 1944 wegen „Wehrmittelbeschädigung" zum Tode verurteilt worden war, den Krieg aber durch
Flucht während eines Transports überleben konnte. Nicht vergessen werden die mutigen Zivilisten, die
in mehreren Orten verhinderten, dass die anrückenden alliierten Verbände ihre Ortschaften zerstörten
und bewirkten, dass die Übergabe der Ortschaften gewaltfrei verlaufen konnte. Lebensgefährlich war die
Desertation von Soldaten in den letzten Kriegstagen. Metzinger berichtet hier von vier Fällen, bei denen
Soldaten aus oder in der Region wegen sogenannter „Fahnenflucht" standrechtlich hingerichtet wurden.
Metzinger beschreibt schließlich noch seinen Kontakt zu Anneliese Knoop-Graf. Die jüngere Schwester
des hingerichteten „Weiße-Rose"-Mitglieds Willi Graf lebte seit 1969 in Bühl-Waldmatt. Den Band beschließen
der Anmerkungsapparat, ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie ein eigener Bildteil mit
Abbildungen in der für den Verlag Regionalkultur signifikant hohen Qualität.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Adalbert Metzinger ein bedeutsames Buch geschrieben
hat. Dessen besondere Qualität liegt darin, viele Namen und Schicksale von weniger bekannten Widerständlern
und NS-Opfern zu dokumentieren, die ansonsten eher nicht im Fokus stehen und bei denen man
befürchten muss, dass sie in Vergessenheit geraten würden. Allerdings muss man auch erwähnen, dass
das vorliegende Buch nicht besonders nutzerfreundlich aufgebaut ist. Für die zahlreichen Anmerkungen
muss man nach hinten in den Apparat blättern. Dort sind für die Literatur nur Kurztitel genannt, sodass
man noch einmal weiter zum Literaturverzeichnis blättern muss. Das ist auf die Dauer kompliziert und
lästig. Auch dass die Abbildungen ganz ans Ende des Buches gerückt wurden, ist keine gute Lösung.
Denn diese fehlen zuvor als auflockernde Illustrationen, sodass sich deshalb dem Leser oft eine mühsame
Textwüste zeigt. Stilistisch macht es einem der Autor auch nicht immer leicht: So muss man beispielsweise
im Fließtext nicht ständig erwähnen, aus welcher Tageszeitung relevante Artikel stammen, wenn
diese im Anmerkungsapparat dann ohnehin genannt werden. Das ist unschön. Sehr viele, deutlich zu

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