http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0203
Burgen, die „spätestens mit der Herrschaftsbildung der Zähringer und deren Nachfolgern ihre Bedeutung
und ihren Nutzen verloren haben" (S. 12) liegen meist nicht im Arbeitsgebiet, sondern eher westlich des
Schwarzwalds und sind äußerst selten. Die „alemannisch-fränkische Herrschaft" (u.a. S. 12, S. 51, S. 53)
wird zeitlich zu weit gefasst (darunter würde man wohl nur die Merowinger- und Karolingerzeit fassen,
aber nicht das 10./II. Jh.). Von „frühzeitlichen Burgen und Wehranlagen" ist das Berauer Horn (S. 20-
25) weitgehend in die späte Urnenfelderzeit (ca. 8. Jh. v. Chr.) zu datieren; von „Kelten" spricht man bei
der Urnenfelderkultur eigentlich noch nicht. Beim „Krumpenschloss" ist die angebliche Siedlung Laubenhausen
(S. 30) wegen fehlender Geländespuren völlig spekulativ; sollte sie bestanden haben, war sie
sicher nicht keltisch. Einige Steinhügel (Foto S. 29) sind der Abraum von flachen Buntsandsteinbrüchen.
Das Mauerstück (Foto S. 33) bei Tarodunum ist eine jüngere Stützmauer am Hang, aber kein Teil der
keltischen Befestigung. Beim Flurnamen „Heidenschloss" bei Höchenschwand (S. 38-41) ist eine mittelalterliche
Burg lokalisiert und etwa ins 13. Jh. datiert. Die „Römertürme" (S. 42f.) sind reine Phantasie
und im Hinterland abseits des Limes auch nicht üblich gewesen; sie entstammen dem Ideengut des 19.
Jahrhunderts. Der „Ringwall Kappel" (S. 45f.) ist ein natürlicher Moränenhügel mit randlich durchziehendem
Weg. Über eine „fränkische, vielleicht sogar alemannische oder keltische Vergangenheit des
Burgplatzes" der Wiesneck (S. 56) zu spekulieren, ist angesichts der völligen Fundleere für diese Perioden
trotz häufiger Begehungen fruchtlos. Im Zusammenhang mit den Haigerlochern (Burg Wiesneck)
von „kleinadligen Pionieren" (S. 57) zu sprechen, hätte diese Familie sicher nicht amüsiert. „Zastlerstein"
(Zastler „Burgacker") ist in der Rekonstruktion viel zu groß und hatte sicher keine Rundtürme; das Mauerviereck
war kein Bergfried, sondern ein Wohnturm (S. 63). Die Burgen Döggingen und Eulenburg (S.
155-157) wurden teilweise vermischt und verwechselt (Hinweis H. Söllner). Der Bubenstein (S. 174-177)
war sicher kein Bergfried, sondern ein Wohnturm, zumal - vor einem Teilabbruch - noch ein deutlich
sichtbarer Kaminzug überliefert ist. Zindelstein (S. 184-188; hier S. 184) wurde aufgrund der Keramikfunde
wohl nicht von den Zähringern angelegt.
Manche Burgen erscheinen in den Zeichnungen zu groß und vielgestaltig, wenn man die Topographie
kennt; bei Oberried kommt die Form der Motte, des künstlich zugerichteten und teilweise aufgefüllten
Hügels, auf der Zeichnung nicht heraus (S. 59). „Roteck" und „Schwarzeck" (S. 67-72) sind völlig
ohne Beleg (was soll da eine Rekonstruktionszeichnung?), mit Honvirst steht es ähnlich (hier wurden
aber immerhin einige spätere Schriftquellen und Flurnamen recherchiert). Die Rekonstruktion der Burg
Falkenstein (S. 165-173; hier S. 165) stimmt hinsichtlich des Zugangs (in die Unterburg!) nicht; auf dem
höchsten Felsen stand eher ein Wohnturm, keine Schildmauer. Die Rekonstruktion der Burg Urach (S.
194-201; hier S. 194) ist zu verzärtelt; von den Rundtürmen gibt es keine Spur.
Eine Rezension reicht leider nicht aus, um einzeln alle Fehler und Versäumnisse darzulegen. Einige
vom Autor selbst ins Spiel gebrachte Plätze werden künftig im Gelände überprüft werden; das hätte man
bei rechtzeitiger Fundmeldung ans Landesamt für Denkmalpflege aber auch schon lange vor der Drucklegung
tun können - aber dann wäre das Geheimnis ja keines mehr gewesen ...
Positiv sind generell die Beschäftigung mit diesem Raum, der bisher teilweise nicht die ihm gebührende
Aufmerksamkeit gefunden hat, der Hinweis auf einige Quellen zu Neustadt und zum „Burgkopf"
und vielleicht auch ein oder zwei Stellen im Gelände sowie ein Großteil der Fotos. Für Burgenkundige ist
dem Band zudem ein gewisser Unterhaltungswert nicht abzusprechen ...
Ein Buch mit diesem Titel und in dieser Größe und Aufmachung - dazu noch von zahlreichen regionalen
Sponsoren unterstützt - suggeriert dem Leser, es sei ein Standardwerk, und mehr brauche er über
die Burgen dieser Region nicht zu wissen. Den Gesetzen des Marktes gehorchend ist zu befürchten, dass
jedes weitere Buch zu diesem Thema viel weniger Unterstützung, Aufmerksamkeit und Leser finden
würde (zumal es sich nicht um eine Region mit vielen Burgenbesuchern wie etwa das Elsass handelt).
Die Forschung über diese Burgen und die Verbreitung der gesicherten Erkenntnisse darüber ist damit
eher behindert als gefördert. Heiko Wagner
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