http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0209
Was die Opfer betrifft, so nahm sich Heiko Haumann der Zigeuner und Juden in dieser Zeit an.
Nicht erst seit 1933, so der Autor, kam es zu Ausgrenzungen und Vorbehalten gegen diese Volksgruppen.
Immer feindseliger aber wurde das Verhalten der Obrigkeit im 19. Jahrhundert. Die Nationalsozialisten
schließlich gingen mit Sterilisation, Deportationen und Ermordungen sowohl gegen Juden als auch Zigeuner
vor. Signifikant ist in diesem Beitrag, dass zwar überlebende Juden nach 1945 Entschädigungen
erhielten, Zigeuner aber nicht.
In einem weiteren Aufsatz des Bandes befasst sich Christoph Schmider mit der Rolle des Freiburger
Erzbischofs Conrad Gröber, der einerseits vom Nationalsozialismus begeistert war, sich aber gleichwohl
gegen die Euthanasiemaßnahmen der damaligen Machthaber wandte.
Die Baupolitik in Freiburg nach 1933 erforschte Heinrich Schwendemann. Dabei wird deutlich, dass
einige städtebauliche Maßnahmen bis heute sichtbar sind. Zum Beispiel gingen die kleinteilige Struktur
der Innenstadt oder die Ringstraßenplanung auf die Zeit vor 1945 und die unmittelbare Nachkriegszeit
zurück.
Mit der Rolle der führenden Arzte in Freiburg befasste sich Karl-Heinz Leven. Er stellt fest, dass bei
vielen Verbrechen von Medizinern, wie Euthanasie oder medizinischen Experimenten an Kriegsgefangenen
, einige Spuren nach Freiburg führen. Er verweist in seinem Beitrag auch auf den mutigen Vortrag
von Franz Büchner, der sich 1941 gegen die Tötung von Kranken wandte. Als nach 1945 die Mehrheit der
Ärzteschaft behauptete, nur eine kleine Gruppe von Medizinern hätte den Eid des Hippokrates missachtet
, wandte sich Büchner als auch Constantin von Dietze („Freiburger Kreis") gegen diese Sichtweise.
Wer Professor im „Dritten Reich" gewesen war, so Letzterer, konnte nicht schuldlos bleiben.
Die Tätigkeit des Volkskundlers Johannes Künzig untersuchte Werner Mezger. Obwohl NSDAP-
Mitglied und im NS-Lehrerbund tätig, war Künzig den damaligen Machthabern dennoch wegen seiner
Nähe zur katholischen Kirche immer suspekt. Auf zahlreichen Auslandsreisen erforschte er das Auslandsdeutschtum
im Osten und Südosten Europas. Nach 1945 setzte er seine Arbeit fort und kümmerte
sich vornehmlich um die Heimatvertriebenen. Auf seine Tätigkeit geht das heutige „Institut für Volkskunde
der Deutschen des östlichen Europa" zurück.
Mit der Rolle Martin Heideggers befasste sich Rüdiger Safranski. Er kommt zu dem Schluss, dass
Heidegger zwar ein großer Philosoph gewesen sei, aber auch ein allzeit überzeugter Nazi. Der Autor
erkennt nach der Lektüre der „Schwarzen Hefte" in Heidegger auch einen ausgesprochenen Antisemiten.
Das „Weltjudentum", so der Philosoph, sei nämlich die Ursache für die Entwurzelung des von ihm als
„Seienden" bezeichneten Zustandes gewesen. In wahrlich maßloser Selbstüberschätzung verglich Heidegger
nach 1945 den Entzug seiner Lehrtätigkeit mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Beides sei
ähnlich schlimm gewesen.
Es verwundert wenig, dass auch die alemannische Fasnacht von den Nationalsozialisten in ihrem
Sinn vereinnahmt wurde (Beitrag Peter Kalchthaler) . Nachdem Juden aus den Faschingsgremien ausgeschlossen
waren, setzte man immer mehr auf Blut- und Boden - Ideologie, Antisemitismus und das
Umfunktionieren von Symbolen (Hakenkreuz statt Sonne) bei Fasnachtsumzügen.
Tilmann von Stockhausen schließlich widmete sich der Geschichte des Augustinermuseums in der
NS-Zeit. Bereits 1923 eröffnet, erlitt das Museum durch die NS-Aktion „Entartete Kunst" große Verluste.
Nicht weniger als 19 Gemälde und 211 Grafiken wurden abgehängt und nach Berlin verschickt. Viele vernichtete
man dort oder sie verschwanden spurlos. Die Lücken ersetzten jetzt Arbeiten von NS-Künstlern.
Das Museum wurde 1939 geschlossen und Werke in großer Zahl nach Pfullendorf verbracht.
Alles in allem ist den Autoren mit diesem Sammelband eine gut lesbare und ausreichend illustrierte
Erinnerung an die von vielen Menschen besuchte Freiburger Ausstellung zur NS-Zeit gelungen.
Detlef Vogel
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