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Nach dem Röstvorgang werden die gebrannten Zichorien fein gemahlen, mit Wasser oder
einem geeigneten Sirup gemischt und gut angerührt, damit ein feiner Brei entsteht, und in
entsprechende Formen gepresst.43 Leider liegen heute keine Rezepturen für die einzelnen Zusatzpflanzen
mehr vor, zumal dabei auch unterschieden werden musste, ob die Zichorie als
Kaffeezusatz oder als Kaffeeersatz verwendet werden sollte. Entscheidend sind die natürlichen
Bitterstoffe der Zichorie und die Beistoffe der beim Rösten zugegebenen pflanzlichen Zusätze.
Auf die gesundheitlichen Aspekte der Zichorie kann hier nicht eingegangen werden. Die Zichorienfabrikation
benötigte somit entsprechend größere Flächen für die Annahme und Zwischenlagerung
der ankommenden Zichorienwurzeln und Zusatzpflanzen. Für die zahlreichen
Reinigungsvorgänge waren ausreichend Reservoire für Wasser, das auch für den Einsatz von
Dampfkraft zur Verfügung stehen musste, erforderlich. Für diverse Mahlvorgänge waren entsprechend
geeignete Mühlen notwendigen.
Auf dem Areal des „Tennenbacher Hofes" sind auf einer Bleistiftskizze von 1676 zwei
Wohnhäuser, zwei Scheunen, ein Schöpfbrunnen und ein einfacher Brunnen, eine Mühle und
ein Mühlenbach zu erkennen.44 Im Kaufvertrag von 1819 werden jedoch nur eine Scheuer, Stallung
, Holz- und Wagenschopf sowie ein Pumpbrunnen aufgeführt. Einzelheiten über Lage und
Umfang der Bebauung des Grundstückes mit der Zichorien- und Champagnerfabrik ergeben
sich aus der Vogelschauansicht des Joseph Wilhelm Lerch von 1852 (siehe Abb. 1). Rechts des
hellen weißen Mutterhauses der Barmherzigen Schwestern (Vinzentinerinnen) schließt sich das
Areal der Kuenzer'schen Zichorien- und Champagnerfabrik an.45
Abb. 1 Nördliche Vorstadt Neuburg mit der Zichorien- und Champagnerfabrik Kuenzer (weißer Pfeil), Ausschnitt
aus dem Vogelschauplan von Freiburg des Joseph Wilhelm Lerch, 1852 (StadtAF, M 7093).
Joseph König: Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genußmittel sowie der Gebrauchsgegenstände.
Lehrbuch über ihre Gewinnung, Beschaffenheit und Zusammensetzung, Bd. 2, Berlin 51920.
Zotz (wie Anm. 29), S. 105; Treffeisen (wie Anm. 30), S. 48.
Der Vedutenmaler Johann Martin Morat aus dem Schwarzwald hat den Komplex der „Zichorienfabrik
und Wirtshaus zu Amerika" als Gouache und Aquarell zwischen 1829 und 1839 vom Hebsack aus anzudeuten
versucht. Siehe in: „Blauer Himmel über Baden - Ortsansichten des 19. Jahrhunderts von Johann
Martin Morat", hg. von Felix Reusse für die Städtische Museen Freiburg, Augustinermuseum, Ostfildern
2019, Katalog Nr. 1.8 und 1.4.
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