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Essig handelt es sich bekanntlich um die in einer Flüssigkeit, gewöhnlich in Wasser gelöste
Essigsäure, die bei der Oxidation von Alkohol, üblicherweise durch die Vergärung von alkoholhaltigen
Substraten mit Essigbakterien der Gattung Acetobacter, entsteht. Diese kommen in der
Natur weit verbreitet an zahlreichen Pflanzen vor, besonders an Trauben und Obst, die schnell
zur Essigfäule neigen. Aber auch aus Wurzelgemüse, z. B. Rüben, aus Kartoffeln, Getreide sowie
aus Baumsäften, sogar aus Milch kann Essig gewonnen werden, wenn deren Zuckergehalt
zunächst in Alkohol verwandelt und dieser dann zu Essigsäure vergoren bzw. oxydiert wird.
Im 19. Jahrhundert wurde Essig vorwiegend aus Wein gewonnen, wenn dieser lange gelagert
und essigstichig wurde oder anderweitig verdorbene Weine auf diese Weise verwertet
werden mussten. Bei der Kuenzer'schen Zichorienfabrikation ist nicht auszuschließen, dass zumindest
gelegentlich Reste von aufgearbeiteten Beistoffen unter feuchten Bedingungen der Essigbildung
unterlagen und deshalb zu Essig verarbeitet und damit entsorgt wurden. Im Vergleich
zur Zichorien- und Champagnererzeugung dürfte die Essigproduktion für Kuenzer nur eine
wirtschaftlich untergeordnete Rolle gespielt haben, zumal zu jener Zeit in Freiburg noch weitere
Essigsiedereien existierten. Möglicherweise fand die Herstellung zumindest zeitweise im Glacis
3 bzw. in der Wilhelmstr. 20 statt, was aus technischen Gründen durchaus verständlich wäre,
um Infektionen mit Essigbakterien in Weinbeständen des Hauptbetriebes zu vermeiden.77
Hinterlassenschaften und Nachkommen
Die Gründung und der Aufbau der Zichorien- und Champagnerfabrik sowie der Weinhandlung
haben Johann Michael Kuenzer und Franz Xaver Kuenzer sicher immense Leistungen
abverlangt. Hinzu kamen für Michael Kuenzer die Aufgaben als Stadtrat (1813 bis 1834), denen
er gerecht werden musste.78 Nach dem Tod von Michael Kuenzer am 27. Mai 1834 (zusammen
mit seiner zweiten Ehefrau auf dem Alten Friedhof beigesetzt, Grab Nr. 893)79 teilte man
sein Vermögen unter seinen Kindern auf.80 Haupterbe war der ledige Sohn Heinrich, der den
Antheil an der mit Tochtermann Xaver Kuenzer gemeinschaftlich besitzenden Cichorienfabrik
und Handlung mit allem vorliegenden Handlungsinventaria beschriebenem Zugehörden erhielt.
Zusätzlich wurde dem Sohn Heinrich Kuenzer die Behausung Nr. 20 an der Kaiserstraße neben
den Stohr'sehen Erben und dem Museumsgebäude, samt allen darin befindlichen Fäßern
sowie das eigene Haus unweit der Zichorienfabrik, in dem er nach dem Adressenverzeichnis
seit 1810 lebte, zugesprochen. Die verheirateten Töchter Josepha, Sophia und Theresia erhielten
gleiche Erbanteile, die ledige Louisa mit einem zusätzlichen Ausgleich. Der ledige behinderte
77 Einwohneradressbuch der Stadt Freiburg von 1867.
78 Laut Einwohneradressbuch der Stadt Freiburg von 1806, S. 29, wurden damals „wöchentlich vier Rathssitzungen
gehalten, und zwar am Montage der Oekonomie= und Frey tage zur Erledigung der Politischen
Gegenstände; am Dienstage und Samstage zu Aburtheilung der Rechtssachen, und zur Erledigung der
in das adelige Richteramt einschlagenden Gegenstände. Auch wird an jedem Donnerstage von 9 bis 12
Uhr in dem Rathshause eine aus einem Rathe und einem Sekretair bestehende Magistratskommission zu
dem Ende abgehalten, daß bey derselben alle geringfügige Klag=, Streit= und Schuldsachen sowohl von
den hiesigen Einwohnern als Auswärtigen angebracht, und durch Vergleich ohne alle Unkosten erlediget
werden mögen."
79 jm Freiburger Alten Friedhof gibt es zehn Gräber mit insgesamt 14 Personen, die den Namen „Kuenzer"
tragen. Die letzte Bestattung im Alten Friedhof, auch eines Kuenzers, fand 1872 statt. Laut freundlicher
Auskunft von Dr. Corinna Zimber, 1. Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Alten
Friedhofs in Freiburg i. Br. e.V., vom 22.06.2018.
80 StadtAF, H 2410.
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