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Felix' Sohn Hermann (25.02.1896-09.09.1957), der bei Kriegsausbruch 18 Jahre alt war und
in München studierte, wurde mehrfach auf seine Eignung zum Kriegsdienst untersucht und
immer wieder zurückgestellt.35 Anfang 1915 schien es, als käme er auch in den Rang,36 seine
Einberufung verzögerte sich aber bis Mai 1916. Im August 1916 berichtete Hermann, als
Kanonier bei der Flakbatterie 46 auf Sylt stationiert, er bedauere, dass bei ihnen leider nicht
viel Aussicht auf Beförderung bestünde und er deshalb solche Hoffnungen auf Friedenszeiten
verschieben müsse.37 Als 1917 der Krieg immer noch nicht zu Ende war, überlegte Hermann,
wie er an eine Beförderung in eine Leutnantsstelle als 2. Offizier kommen könnte. Von Mai bis
Juli 1917 war er bei der 3. Batterie der Flakersatzabteilung I in Frankfurt eingesetzt und bildete
Rekruten aus, wieder in einer Position ohne Aufstiegsaussichten. Er wusste, dass Heinrich, der
1915 das Eiserne Kreuz erhalten hatte, mit den Frankfurter Flak-Offizieren in Verbindung stand,
und bat ihn um eine persönliche Empfehlung, um aus der Garnison wegzukommen, befördert
zu werden und seine Kreuzschmerzen zu stillen.38 Bis zum Ende des Kriegs wurde Hermann
nicht verlegt und zu seiner großen Enttäuschung nicht zum Offizier befördert.
Es ist möglich, dass Hermann zufällig Einheiten zugewiesen wurde, in denen ein Aufstieg
in das Offizierskorps nicht möglich war, allerdings ist bekannt, dass die in der Reichs Verfassung
verankerte konfessionelle Gleichberechtigung von Juden im Militär nur in der Theorie existierte
und die durch Personalbedarf bedingte Beförderung von Soldaten jüdischen Glaubens in die
Offiziersränge, die 1914 möglich war, bereits Ende des Jahres wieder deutlich zurückging.39
Walther Rathenau, der 1914 bis 1915 die Kriegsrohstoffabteilung im deutschen Kriegsministerium
leitete, wurde z. B. wegen seiner jüdischen Wurzeln nicht zum Offiziersexamen zugelassen.
Obwohl er in seinen Schriften die Juden Deutschlands zur vollständigen Assimilation aufforderte
, lehnte Rathenau für sich die Taufe ab, weil er glaubte, sie würde nichts ändern, sondern
nur zu einem Antisemitismus gegen Getaufte führen.40 Hermann könnte diesen zu spüren bekommen
haben, vor allem weil sein Kriegsdienst in eine Zeit fiel, in der die verlustreichen
Feldzüge von 1916 zu einer wachsenden Feindseligkeit gegen Kriegsgewinnler und zu einem
Wiedererwachen alter Ressentiments gegenüber Außenseitern, wie z. B. den Juden, führte.
1916: Bestraft ohne Anklage
Ende April 1916 wurde Felix Ganz trotz seines Alters per Befehl des Generalkommandos in
Frankfurt in eine Feuerstellung an vorderster Front verlegt, was in beiden Familien zu großer
Aufregung führte.
Auch das genaue Datum von Hermanns Taufe lässt sich nicht feststellen. Seine Konvertierung ist aber
durch das Heiratsregister der Stadt Mainz (Blatt 300, Nr. 1482) belegt, in dem seine Konfession bei seiner
Hochzeit mit Charlotte Fromberg (07.06.1894-08.05.1965) am 7. November 1919 als „evangelisch" angegeben
ist.
Brief von Gertrud Ganz an Heinrich Brenzinger vom 3. August 1916.
Brief von Hermann Ganz an Heinrich Brenzinger vom 3. August 1916.
Brief von Hermann Ganz an Heinrich Brenzinger vom 30. Juni 1917.
Vgl. Johannes Leicht: Innenpolitik und Antisemitismus im Ersten Weltkrieg, Deutsches Historisches
Museum, Berlin 2014 (https://www.dhm.de/lemo/kapitel/erster-weltkrieg/innenpolitik/antisemitismus.
html, Stand: 20.11.2019).
Walter Rathenau: Höre, Israel! (1897), in: Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern, Bd. 5: Das
Wilhelminische Kaiserreich und der Erste Weltkrieg, 1890-1918, hg. vom Deutschen Historischen Institut
Washington (http://ghdi.ghi-dc.org/pdf/deu/23_Walther_Rathenau_Israel_47.pdf, Stand: 20.11.2019), S. 3.
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