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Als klar wurde, dass der Befehl nicht von Felix' Bezirkskommando kam, setzte die Familie
alles daran, Felix an eine sicherere und weniger aufreibende Stelle versetzen zu lassen. Ein
Gesuch nach Frankfurt mit der Bitte um Überprüfung des Befehls durch das Generalkommando
sollte bis Mitte Mai zu einer Entscheidung führen, und Gertrud versuchte eiligst, Beziehungen
zu Militärbehörden aufzubauen, um einen besseren Einfluss auf den Lauf der Dinge zu haben,
was ihr aber nicht gelang. Zwischen 22. Mai und 10. Juni 1916 gingen täglich Briefe zwischen
Heinrich, Felix, Gertrud und Theodor hin und her. Die terminliche Dichte dieser Briefserie ist
auffällig und zeigt den engen Familienzusammenhalt und die unterschiedlichen Hilfsaktionen,
die für Felix geplant wurden. Felix war zu dieser Zeit als Mitglied des 3. Batterie Reserve-
Feldartillerie-Regiments Nr. 21 zwischen Cernay und Massiges in erster Stellung vor der [...]
Bahnstation Vaux-Mouron als Telefonist und Beobachter eingesetzt und machte sich keine großen
Hoffnungen, weil laut einer Bekanntmachung sechs Monate Front Voraussetzung für eine
Rückversetzung seien.41 Der Feldalltag im Schützengraben setzte ihm gesundheitlich und persönlich
so zu, dass er an Heinrich schrieb:
[...] tagein + aus im Feuer zu sein, mit dem gewöhnlichen Mann Dreck + Brett zu teilen
(Strohsack haben wir nicht), Essen + Löffel, die blöde Unterhaltung, Vorgesetzte,
die nur im Saufen + Lügen der Mannschaft ein Vorbild sind-was das heißt, Heinrich,
das kann ich nicht beschreibend2
Dieser und die anderen Briefe, die Felix im Juni 1916 an Heinrich schrieb, zeigen ihn ratlos,
panisch und verzweifelt. Er vermutete stark, das Opfer einer Denunziation geworden zu sein,
weil er trotz seiner gesundheitlichen Probleme nicht aus vorderster Linie versetzt werden durfte,
und war überzeugt, daß mein ganzes Verbrechen war, als 45-jähriger mehrere Mal zu versuchen
mich zurückzustellen, daß wir aber durch meine Persönlichkeit den Staat wirklich verständig
bedienten, Wolle aus der Türkei einführten43 d. h. also der deutschen Sache dienten. Felix' dringendes
Anliegen war es herauszufinden, weshalb ich s.Z. namentlich eingezogen + namentlich
an die Front kam.44 Er machte sich Hoffnung, dass ein Besuch beim Regimentsarzt in Vaux
wegen seiner chronischen Kopfschmerzen, die er durch ein ärztliches Attest belegen konnte, zu
einer Versetzung führen würde.
Während Felix am 24. Mai 1916 in Vaux beim Regimentsarzt war, der ihm versprach, dass
er ihn zurück zu seiner Ersatzabteilung in die Heimat schicken würde, erreichte diesen ein
Eilbrief,geheim' [...]. Was darin stand, weiß niemand.45 Felix wurde daraufhin nicht nach
Hause, sondern zu einer weiteren Untersuchung nach Olizy geschickt. Dort ignorierte man sein
Attest und beschied ihm aufgrund seiner Kopfschmerzen: Das hat jeder Soldat mal im Krieg,
Sie gehen morgen zu Ihrer Truppe, lassen Sie sich ein Pulver verschreiben, wenn Sie Schmerzen
haben.46 Felix suchte den diensthabenden Arzt noch einmal mittags in seiner Wohnung auf und
wartete ihn auch abends nach der Visite ab. Noch zwei Mal wurde ihm bestätigt, er solle seine
Pflicht tun und ein Aspirin gegen die Schmerzen nehmen. Seiner Einheit wurde gemeldet:
Unteroffizier Ganz kommt gesund zu seiner Truppe zurück.41 Felix erhielt die Nachricht, dass
41 Brief von Felix Ganz an Heinrich Brenzinger vom 23. Mai 1916.
42 Brief von Felix Ganz an Heinrich Brenzinger vom 22. Mai 1916.
43 Brief von Felix Ganz an Heinrich Brenzinger vom 1. Juni 1916.
44 Brief von Felix Ganz an Heinrich Brenzinger vom 22. Mai 1916.
45 Brief von Felix Ganz an Heinrich Brenzinger vom 31. Mai 1916.
46 Ebd.
47 Ebd.
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