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nicht Heinrich klipp und klar gesagt hat, was alles er 14/15/16 und durch wen er es versucht hat.
Nur dann, so meinte sie, sähe Heinrich klar in die Situation.51
Gertruds Anspielung auf „doppelte Gründe" für ihre ablehnende Haltung gegenüber
Felix' RückStellungsgesuchen lässt annehmen, dass ein solches Anliegen zum einen ihrem
Patriotismus, den sie in ihren Briefen immer wieder zum Ausdruck brachte, widersprochen
hätte und sie eventuell auch eine antisemitische Auslegung desselben befürchtet hätte.
Einige Tage später stellte Felix fest, dass in Frankfurt drei Schriftstücke über seine Person
vorlagen, die die ganze Aufregung verursacht hätten, und dass sein Bankiersfreund Max von
Rappard und er diese falsch aufgefasst hätten. Felix bat Heinrich deshalb, ihn nicht zu besuchen,
und schrieb Gertrud, sie möge seinen Freund, den Bankier Oppenheim, der den Grund für
Felix' missliche Lage in Erfahrung gebracht hatte, bitten, gar nichts zu tun.5* Die neue Klarheit
gab Felix die Kraft, in seiner Feuerstellung zu bleiben, und er beschloss, den Mund zu halten
und damit etwas zu erreichen.59 Ihm war bewusst, dass Ende August seine sechs Monate an
der Front vorbei wären, und fand, dass alles zu ertragen ist. Leider ist nicht klar, was die drei
Dokumente, die das Generalkommando zu einer derart entschiedenen Haltung gegen Felix veranlassten
, beinhalteten, weil die Personalakte für Felix Ganz aus dem Ersten Weltkrieg nicht
mehr existiert.
Felix' erste Versetzung kam im Juli 1916, brachte aber keine Verbesserung seiner Lage. Felix'
Einheit wurde nach Verdun verlegt, wo er zur Gefechtsbaggage kam und für die Feldküche und
den Vorratswagen zuständig war. Trotz der relativ geschützten Tätigkeit war Felix bewusst, dass
auch seine neue Stellung gefährlich war, und er schrieb an Heinrich: Also wer solches durchgemacht
wie wir, der fürchtet nichts.6® Obwohl er davon ausging, dass Heinrich nicht nur von ihm,
sondern auch aus Militärquellen hörte, wo wir hinkommen61 wollte er die Familie gern schonen
und bat ihn, die Nachricht von seiner Verlegung nach Verdun nicht nach Freiburg weiterzuschicken
. Noch Mitte November 1916 berichtete auch Heinrich, dass seine Leute noch nichts zu
lachen hatten, d. h. haben. Aus einer schwierigen, unwirtlichen Situation heraus schrieb er, dass
sie seit 3 Wochen [...] nun nicht mehr die Hosen ausziehen konnten und in den kalten zugigen
Scheunen auf dem feuchten Boden zwischen Pferdemist und Pfützen liegen mussten. Er selbst
war mit einem Offizierskollegen in einer Küche untergebracht und hatte als Hauptmann eine
Matratze und einen Strohsack ergattert.62
57
Ebd.
58
Brief von Felix Ganz an Heinrich Brenzinger vom 10. Juni 1916.
59
Ebd.
60
Brief von Felix Ganz an Heinrich Brenzinger vom 10. Juli 1916.
61
Ebd.
62
Brief von Heinrich Brenzinger an Theodor Ganz vom 15. November 1916.
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