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Gleichzeitig fällt auf, wie unterschiedlich die Kriegserfahrungen und -laufbahnen der beiden
waren. Heinrich Brenzinger war von Anfang bis Ende des Krieges im Feld und entsprach
mit seiner stoischen Haltung dem Ideal des deutschen Mannes, der für das Vaterland kämpfte.
Er wurde schnell befördert und kam durch seine Kommandeursrolle selbstbewusst und mit vielversprechenden
Zukunftsaussichten nach Hause. Bereits zu Kriegsbeginn verfügte er über ein
beeindruckendes Netz an Beziehungen aus Universitätstagen, sowie aus seinen Mitgliedschaften
in Burschenschaft und Militär, die er während des Krieges ausbaute und vertiefte. Diese militärischen
Verbindungen pflegte er auch nach dem Krieg, indem er in seiner Burschenschaft, dem
„Corps Saxonia", und dem Veteranenverband „Stahlhelm" aktiv mitwirkte. Die Freundschaften
mit Bekannten aus diesen Kreisen, die vielfach in der Nachkriegszeit der NSDAP beitraten und
zu Parteifunktionären avancierten, halfen ihm in den 1930er- und 40er-Jahren, die Bedrohung
der nationalsozialistischen Rassengesetze von seiner Frau Annemarie, die in der NS-Zeit als
Halbjüdin galt, fernzuhalten.
Felix und Hermann Ganz dagegen fanden zur militärischen Elite nur schwer Zugang.
Sie wurden langsamer und weniger häufig befördert als Heinrich Brenzinger und hatten
Schwierigkeiten, Kontakte zu den Machtstellen des Militärs zu knüpfen, obwohl Felix über
einflussreiche Verbindungen zur Reichsregierung, zum Landesfürsten und zur internationalen
Geschäftswelt verfügte. Die Gründe hierfür finden sich sicher zum einen im relativ späten
Kriegseintritt der beiden im Vergleich zu Heinrich. Felix' mehrfache Anträge auf eine
Verschiebung seiner Einberufung mit Verweis auf seine Geschäftsbelange mögen ihm in
Militärkreisen als Drückebergerei und Kriegsgewinnlerei ausgelegt und sich negativ auf seine
Militärlaufbahn ausgewirkt haben. Andererseits war er eigentlich zu alt für den Dienst an der
Waffe und unterstützte den Krieg an der Heimatfront. Seine Vermutung, dass seine Verlegung
an die vorderste Front durch eine Denunzierung verursacht wurde, macht deshalb Sinn.
Felix Ganz entsprach in vielerlei Hinsicht dem zeitgenössischen Bild vom eigennützigen,
habgierigen jüdischen Geschäftsmann, und es liegt nahe, dass sich trotz seiner anzunehmenden
Taufe sein Kriegserleben auch aufgrund antisemitischer Anfeindungen anders als das
von Heinrich gestaltete. Felix' Kriegserfahrung war weitestgehend negativ und brachte ihm
auch nach dem Krieg keine bemerkenswerten Vorteile im Vergleich zu vorher. Im Gegensatz
zu Heinrich war sein Netzwerk an Verbindungen größer, internationaler und wohlhabender,
aber auch weniger tragfähig in Zeiten der Not. Wie 1916, als Felix alle seine beeindruckenden
Verbindungen ausspielte und dennoch nicht aus seiner persönlichen Hölle herauskam, reichten
auch in den 1940er-Jahren seine Kontakte nicht in die wirklichen Zentren der Macht hinein und
erwiesen sich letzten Endes als nicht tragfähig.
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