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Dem Nationalsozialismus stand Böhm aber nicht nur aus wirtschaftspolitischen Erwägungen
heraus ablehnend gegenüber. Den Antisemitismus der Nazis missbilligten er und Ricarda Huch
ebenso. Und als Ricarda Huch in dem später so oft gedruckten Briefwechsel mit Max von Schillings
(1868-1933), dem Präsidenten der Akademie der Künste zu Berlin, im Frühjahr 1933 die
Freiheitsrechte aller in Deutschland Lebenden verteidigte, den Antisemitismus verurteilte und
die Zentralisierung, den Zwang, die brutalen Methoden, die Diffamierung Andersdenkender,
das prahlerische Selbstlob angriff, wusste sie ihren Schwiegersohn hinter sich.23 Wie entschieden
jener gegen den Antisemitismus aufgetreten ist, wie mutig er anderen gegenüber seine Auffassung
vertreten hat, lässt eine Tagebuchnotiz Walter Euckens vom 31. Dezember 1934 erahnen
. Eucken, der seinen Abscheu vor dem Antisemitismus und seine Gegnerschaft gegen das
Regime nicht verheimlichte,24 schrieb: Die Haltung, die ich einnehme, ist in keiner Weise anerkennenswert
. Sie ist selbstverständlich. Böhm und Lutz25 und viele andere wagen viel mehr.26
Franz Böhm, Walter Eucken, Hans Großmann-Doerth - die Freiburger Schule
Die Freiburger Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät folgte in ihrer Beurteilung den Gutachten
von Großmann-Doerth und Eucken und empfahl nach dem Habilitationskolloquium vom
November 1933 dem Badischen Kultusministerium, Böhm die venia legendi für die Fächer Handels
- und Wirtschaftsrecht zu erteilen. Franz Böhm begann seine Lehrtätigkeit als Privatdozent
im Sommersemester 1934 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er las über Wirtschaftsrecht
, Geschichte des Wirtschaftsverfassungsrechts, Wettbewerbsrecht, Gesellschafts- und Konzernrecht
und Privatversicherungsrecht. Als seine Arbeit in der Fakultät und in den Gesprächen
vor und nach den Sitzungen besprochen wurde, bemerkten Böhm und seine Gutachter, dass sie
sich unabhängig voneinander mit den gleichen wissenschaftlichen Problemen befassten. Sie richteten
ihre Forschungen auf „die Frage der privaten Macht in einer freien Gesellschaft aus" und
kamen von da „zu der Frage, wie die Ordnung einer freien Wirtschaft beschaffen sein müsse".
Und Franz Böhm, von dem die vorgenannten Zitate stammen, führt weiter aus:
„Von da gelangt man zu der Frage, welche Typen und Möglichkeiten von Wirtschaftsordnungen
es überhaupt gibt und welche Rolle in ihnen jeweils die Macht spielt, und
zwar die Macht der Regierung als auch die Macht von Privatpersonen und privaten
Gruppen, und welche Ordnungsstörungen auftreten, wenn sich innerhalb des Staates
und der Gesellschaft eine andere Machtverteilung herausbildet als diejenige, die dem
jeweiligen Wirtschaftssystem ordnungskonform ist."27
Vgl. Baum (wie Anm. 6), S. 342-353, 357 und 360f.
Vgl. die Nachweise bei Wendula Gräfin von Klinckowstroem: Walter Eucken. Eine biographische Skizze
, in: Walter Eucken und sein Werk. Rückblick auf den Vordenker der sozialen Marktwirtschaft, hg. von
Lüder Gerken (Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik 41), Tübingen 2000, S. 53-
115, hier S. 87f. und 91; Walter Oswalt: Liberale Opposition gegen den NS-Staat. Zur Entwicklung von
Walter Euckens Sozialtheorie, in: Wirtschaft, Politik und Freiheit. Freiburger Wirtschaftswissenschaftler
und der Widerstand, hg. von Nils Goldschmidt (Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik
48), Tübingen 2005, S. 315-353; Dathe (wie Anm. 7).
Friedrich A. Lutz (1901-1975) war ein Schüler Euckens, der wichtige Beiträge zur Geld- und Währungsordnung
vorlegte und 1938 in die USA emigrierte.
Zitat nach Hansen (wie Anm. 1), S. 67.
Franz Böhm: Die Forschungs- und Lehrgemeinschaft zwischen Juristen und Volkswirten an der Universität
Freiburg in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts, in: Aus der Geschichte der
Rechts- und Staatswissenschaften zu Freiburg, hg. von Hans Julius Wolff (Beiträge zur Freiburger Wis-
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