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neue Wirtschaftsordnung standen im strikten Gegensatz zur Idee des totalen Staates. Eucken
trat Ende 1941 nicht nur für einen totalen Umbau der Wirtschaftsordnung ein; er formulierte
zudem in bemerkenswerter Klarheit und mit großem Mut, dass es das Ziel der zukünftigen
Ordnung sein müsse, die unabdingbaren Freiheitsrechte der Menschen zu wahren. Sein Vortrag
enthält Grundgedanken des Ordoliberalismus und besticht durch seinen klaren Blick auf den
Zusammenhang zwischen einer funktionsfähigen Wirtschaftsordnung und einer freiheitlichen
Gesamtordnung.55

Was Walter Eucken in keiner Veröffentlichung der späten 1930er- und frühen 1940er-Jahre
sagen konnte, findet sich zum Teil in seinem Nachlass.56 Allgemeine Überlegungen zum Staat
führten ihn 1939 zu der Frage, welche Regierungsform zum „Hochkapitalismus" passe. Mit
Stichworten verweist er auf zwei passende Formen: die demokratische Diktatur (z. B. Amerika)
und den englischen Parlamentarismus. Zu diesem finden sich dann auch später Bemerkungen.
So heißt es 1943 zum britischen Parlament: Eine solche Institution sollte jeder Staat haben. Zur
Institution des Parlaments findet sich eine grundlegende Überlegung in den Notizen von 1943:
Das Parlament sei überlastet, wenn es wirtschaftliche Einzelfragen klären wolle, es reibe sich
auf und verliere seine Legitimität.57 Hier wird deutlich, dass Eucken klare Vorstellungen von der
Staatsform hatte, die nach dem Ende des Nazi-Regimes anzustreben sei: Es war die besondere
Form des britischen Parlamentarismus. Die Nähe zu den fast zeitgleich aufgeschriebenen Überlegungen
Ricarda Huchs fällt ins Auge. Diese sah vor allem im englischen politischen System
die zeitgemäße politische Ordnung, in der die Freiheitsrechte der Individuen am besten gewahrt
werden können.58

Die Mitglieder des „Freiburger Kreises" vergaßen nie, was sie Ricarda Huchs historischen
Werken und den Begegnungen mit der Autorin verdankten. Alexander Rüstow schrieb am 14.
Dezember 1947, kurz vor seiner Rückkehr aus der Emigration, an Böhm: Ricarda Huch ist gestorben
. Käthe Kollwitz und sie waren die beiden Frauen, auf ein Wiedersehen mit denen wir
uns die ganzen Jahre am meisten gefreut haben.59 Adolf Lampe, mit Arbeiten zur Neuordnung
der durch den Krieg zerrütteten Wirtschaft überhäuft, las zur Entspannung, was Ricarda Huch
in ihrem grossen Werk über das ,Zeitalter der Glaubensspaltungen zum Thema zu sagen hat
und nahm die Lektüre zum Anlass, bei Gerhard Ritter die Wiederbelebung des „Freiburger
Konzils" mit den offenen Diskussionen zwischen Protestanten und Katholiken anzuregen.60
Und kurz vor seinem Tod am 20. März 1950 setzte sich Walter Eucken im Februar 1950 bei
mehreren Verlagen für eine Neuauflage der Bücher von Ricarda Huch ein.61

Walter Eucken: Wettbewerb als Grundprinzip der Wirtschaftsverfassung, in: Der Wettbewerb als Mittel
volkswirtschaftlicher Leistungssteigerung und Leistungsauslese, hg. von Günter Schmölders (Schriften
der Akademie für Deutsches Recht, Gruppe Wirtschaftswissenschaft 6), Berlin 1942, S. 29-49.
Da nach dem missglückten Attentat auf Hitler am 20.7.1944 im September und November 1944 mehrere
Mitglieder des „Freiburger Kreises" verhaftet worden waren, vernichteten deren Angehörige ebenso wie
diejenigen Mitglieder der Kreise, die nicht inhaftiert wurden, fast alle Ausarbeitungen, Notizen und Briefe
, die die Tätigkeit des Kreises dokumentierten. In ThULB, Nachlass Walter Eucken, haben sich zwischen
den Papieren zur Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, die heute in 30 Archivkästen verwahrt
werden, einige Notizen zu den Themen gefunden, die die Freiburger im Geheimen besprochen haben.
Ebd., Kasten Grundsätze Originale 4.

Till Kinzel: Das Bild Englands und der englischen Aufklärung in der Geschichtsschreibung Ricarda

Huchs, in: Angermion 2015, S. 127-146, hier S. 138-141.

Alexander Rüstow an Franz Böhm; Istanbul, 14.12.1947, BArch, N 1169/31.

Adolf Lampe an Gerhard Ritter; Freiburg, 13.3.1947, Nachlass Lampe, ACDP, 1-256-038/1.

Walter Eucken an Franz Böhm; Freiburg, 11.2.1950, ThULB, Nachlass Walter Eucken.

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