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rauch', und niedersteigt das ewige Wort. Der ,offene Himmel' läßt sich auf den Altar herab und
wohnt mitten unter den Menschen."23
Die frühesten Kirchenbauten der Antike seien direkt am Boden angesetzte kuppeiförmige
Rundbauten. Daraus habe sich der basilikale Querschnitt mit dunklerem „Umschiff" und
hellerer Mittelkuppel, die das Mittelschiff durch ein Scheitelfenster oder einen Fensterkranz
ausleuchtet, entwickelt. „Im Barock wird der Gedanke mit malerischen Mitteln groß entfaltet,
indem eine offene Kuppel immer wieder über die andere gesetzt wird, bis schließlich diese
senkrechte himmlische Perspektive ganz im Lichte endet." 24
Schwarz folgend entwarf Klaus Franz die Kirche Maria Regina in Fellbach (1965-1967) als
einfachen aus dem Erdboden wachsenden kuppeiförmigen, gekippten Kegelstumpf, kappte die
Spitze und setzte an ihrer statt eine lichtdurchlässige Kreisscheibe ein, die im höhlenartigen
Innern den liturgischen Mittelpunkt, die kreisrunde Altarinsel, in Szene setzt. Dagegen wählte
Heine für St. Albert den Kuppeltyp mit basilikalem Aufriss und durch Stützen vom Umschiff
getrenntem Mittelschiff, wie er praktisch schon in Santo Stefano Rotondo in Rom um 470 entwickelt
worden war.
Verschiedene als Zentralräume konzipierte Kirchenbauten, wie auch die frühchristlichen
Baptisterien und auch die Kaiserkrone des Heiligen römischen Reiches basieren auf einem System
, dem die Zahl „Acht" als Grundlage dient. „8" ist die Zahl des Neuanfangs und der Auferstehung
. Als achter Schöpfungstag ist die Zahl „8" Symbol der Auferstehung Christi und der
Neuschöpfung des Menschen durch Christus.
Das innere Oktogon der Aachener Pfalzkapelle ist von einer 16-eckigen Umkirche umkränzt
. Bei St. Albert wächst aus einer sechseckigen Umkirche eine 16-eckige Krone, die sich
über die 16 V-förmigen Beton-Strebepfeiler zu einer „Gewölbekuppel" mit 32-eckigem Stern
entfaltet. Darüber ist eine achteckige Laterne aufgesetzt. Durch die eingehängten Farbglasfenster
und die dem Stern eingeschriebene Dachlaterne entsteht unter der Kuppel ein heller, kreisrunder
Gottesdienstraum mit gut ausgeleuchteter Altarinsel. Um dieses geistige Zentrum ist
das Gemeindegestühl als „offener Ring" gruppiert. Das sechseckige Sockeltrapez ist die von
Schwarz beschriebene dunklere Umkirche.
Zur Krone als Bedeutungs-, Symbol- und Assoziationsträger
Laut Bruno Taut, dem deutschen Pionier des Bauens mit Glasbausteinfassaden, haben bei allen
Völkern aller Epochen die Sakralbauten immer als „Stadtkrone" über den schlichten Wohnhäusern
gestanden. In seiner modernen Idealstadtvorstellung sollten die Kulturbauten den Sockel
für ein „Kristallhaus" bilden. „Vom Licht der Sonne durchströmt thront das Kristallhaus wie
ein glitzernder Diamant über allem, der als Zeichen der höchsten Heiterkeit, des Seelenfriedens
in der Sonne funkelt. In seinem Raum findet ein einsamer Wanderer das höchste Glück der
Baukunst."25
Die St. Albertkirche ordnet sich in ihrer Größe zwar der profanen Umgebung unter, sticht
jedoch durch ihre eigenwillige Form unverkennbar als Sakralbau und Stadtkrone aus ihr hervor
. Mit ihrer kristallinen Form und den darin eingehängten Farbglasfenstern knüpfte Heine an
die expressionistischen Architekturfantasien von Architekten wie Bruno Taut, Wenzel Hablik,
23 Schwarz (wie Anm. 21), S. 78.
24 Ebd., S. 80.
25 Bruno Taut: Die Stadtkrone, Jena 1919 [Nachdruck Berlin 2002], S. 69.
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