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sperrt und den Blicken der Bevölkerung in Dorf und Stadt weitgehend entzogen). Im Betrieb
und im Gasthof, in der Kirche und im Schwimmbad sind die Bewohner des Breisgaus in den
Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren ganz unterschiedlichen Gruppen von Nichtdeutschen begegnet
. Auch hier erleichtert das Weltkriegswerk die Orientierung, bahnt Schneisen durch das
Gestrüpp von Anordnungen der seinerzeitigen Machthaber, legt Forschungsergebnisse vor. Das
gilt etwa für das Recht, dem einzelne Großgruppen unterworfen waren, für die geforderten Arbeitsleistungen
, für Ernährung und Unterbringung, medizinische Versorgung, Entlohnung und
Urlaub. An die Stelle eingezogener' Deutscher traten in Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie
immer mehr die Kriegsgefangenen, Fremd-, Ost- und Zivilarbeiter; im August 1944 war nahezu
jeder dritte Arbeitsplatz mit einem Ausländer besetzt (Bd. X/2, S. 69). Es ist den Autoren
des Weltkriegswerks hoch anzurechnen, dass sie ausführlich auf die Lebensbedingungen dieser
Männer, Frauen und Kinder eingehen. Erwähnt sei das besondere Strafrecht für Polen, die seit
1939 in großer Zahl ins Reich geschafft worden waren (Bd. V/2, S. 117). An anderen Stellen
wird das Los ausländischer Zivilarbeiter, Kriegsgefangener und Häftlinge zusammenhängend
vorgestellt: NS-Ausländerrecht, Urlaub, Liebe und Sexualität, wie schon erwähnt.12 Text und Tabellen
bringen Einzelheiten zur schonungslosen Ausbeutung der etwa 2,1 Millionen Ostarbeiter:
Täglicher Kalorienbedarf zur Erhaltung der Körpersubstanz, Hungerrationen für sowjetische
Zwangsarbeiter, Überlebensraten ausgewählter Großgruppen: Ausländische Zivilarbeiter 94 %,
„Less-than Slaves" - ein bezeichnender Begriff - 41 %, KZ-Häftlinge 31 %, insgesamt sei für
die Jahre 1939-1945 mit 2,455 Millionen Todesfällen unter den ausländischen Arbeitskräften zu
rechnen.13
Bd. X („Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945", 2008) beschreibt die Eroberung
und Besetzung Deutschlands, die Besatzungspolitik der Siegermächte und Anfänge des
Wiederaufbaus. Ausführungen zur Nachkriegsgesellschaft leiten über zu Antworten, die Deutsche
auf diesen Krieg gegeben haben.
Einmal mehr seien Stichworte herausgegriffen zu dem, was die Menschen im Breisgau sehen
konnten, was in den Akten steht und was Zeugen berichtet haben. Demoralisierte, unzulänglich
ausgerüstete, schlecht ausgebildete deutsche Truppen - unter ihnen immer mehr Jugendliche
- zogen durch Dörfer und Städte, nachdem sie horrende Verluste erlitten hatten: Jeder
zweite deutsche Soldat, der im Zweiten Weltkrieg umgekommen ist, starb in der Schlussphase.
Im Januar 1945, dem verlustreichsten Monat des Krieges, waren 450.000 deutsche Gefallene zu
beklagen.14 Längst führte das Regime auch Krieg gegen die eigenen Leute; fliegende Standgerichte
hatten rasch Todesurteile gefällt, von denen Tausende vollstreckt worden sind. Auch in
Dorfkirchen halten Tafeln die Namen von Opfern fest.
Bunker, von denen es im Breisgau viele gab, sollten „bis zum letzten Atemzug verteidigt werden
". Mangels Personals konnten viele gar nicht mehr besetzt werden (Bd. X/l, S. 31 lf). Wichtiger
noch: Die französischen Eroberer kamen von Norden, nicht von Westen her, wie erwartet, und sie
stießen dann rasch nach Südosten vor. Da große deutsche Truppenverbände sich der drohenden
Einkesselung entziehen wollten, blieben vielen Orten im Breisgau verlustreiche Kämpfe, Tote und
Verletzte auch unter der Zivilbevölkerung sowie sinnlose Zerstörungen erspart.
Weitere Einzelheiten: In lokalen Quellen wird gerügt, dass während der Tage des Übergangs
vom NS-Regime auf die Besatzungsmacht auch Deutsche geplündert haben. Das Weltkriegswerk
rückt die Klagen zurecht: Lager von Wehrmacht, NS-Volkswohlfahrt u. a. wurden
12 IX/2, S. 475-727. - Urlaub IX/2, S. 549f. - Frauen, Sexualität und Kinder IX/2, S. 715-720.
13 IX/2, S. 521 (Tabelle) und 575.
14 V/2, S. 836 Raubbau an der Zukunft; IX/1, S. 123 Jugendliche im Kriegsdienst. Vgl. X/2, S. 715 zu Hitlers
Entschlossenheit, „das eigene Volk bis zum letzten Mann zu opfern".
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