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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2020/0192
Krieg eine „massive und zügige Umgestaltung von Strukturen und Lebenswirklichkeiten" stattgefunden
hat, wobei sich das Kraftzentrum von Karlsruhe nach Straßburg verschob, ablesbar an der Verlegung des
Kultusministeriums 1943 - eine Tendenz, die wohl angehalten hätte. Der Colmarer Historiker Daniel
Morgen schöpft aus seinen intensiven schulgeschichtlichen Studien für die 2014 erschienene Publikation
„Memoires retrouvees. Des Alsaciens en Bade, des Badois en Alsace". Sehr konkret zeigt er mit vielen
Beispielen, wie schnell die französischen Schulaufsichtsbeamten durch Badener ersetzt wurden, welche
Prozeduren die Lehrer über sich ergehen lassen mussten, um im öffentlichen Dienst weiter beschäftigt
zu werden und schließlich den Reichsbeamtenstatus zu erhalten: „Eid auf den Führer noch bevor sie an
den Umschulungslehrgängen teilnahmen". Die Umschulungsformen variierten nach dem Alter, bei „Lehrerprüfung
vor 1918" wurde geringer Schulungsbedarf unterstellt. Abordnung elsässischer Lehrerinnen
und Lehrer nach Baden ist ein Hauptkapitel. Aus der Abordnung wurde in vielen Fällen eine dauerhafte
Versetzung. Daniel Morgen resümiert einerseits, dass die ideologische Umschulung gescheitert sei, die
Schulen im Elsass aber „gut verwaltet" wurden. Ministerialdirektor Gärtner habe „in dem etwas zersplitterten
französischen Schulsystem eine Kohärenz" hergestellt.

Ein Paradebeispiel für das Spannungsverhältnis zwischen Reich und Region präsentiert Tanja Elias,
tätig an der Abteilung ARCHE (Arts, Civilisation et Histoire de PEurope) an der Universität Straßburg.
Ihr französischsprachiger Beitrag fasst die Entstehungsgeschichte der Reichsuniversität Straßburg zusammen
, geplant als Modelluniversität qui doit „dethröner la Sorbonne". Üppige Haushaltsmittel wurden
dafür bereitgestellt. Der Konflikt ging um die Frage, wem die Führung zukomme, dem von Hitler zum
Sachwalter der Germanisierung bestellten Gauleiter und Chef der Zivilverwaltung Robert Wagner oder
dem Reichskultusminister Bernhard Rust. Letzterer setzte sich durch und stand bei der mit großem Pomp
gefeierten Eröffnung am Rednerpult.

Frank Engehausen, Professor am Historischen Seminar der Uni Heidelberg und Koordinator des
Forschungsprojekts „Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus
", erschloss nach Kriegsende entstandene Quellen: Rückblicke badischer Minister und
Ministerialbeamter, die ab 1940 im Elsass tätig waren, von kurzen Rechtfertigungen vor den Spruchkammern
bis zu umfangreichen Schilderungen. Den Lebenserinnerungen von Friedrich Karl Müller-Trefzer
(1879-1960), Ministerialdirektor im Innenministerium, ist das einleitende Zitat entnommen. Beziehungen
zu Freiburg haben zwei später in der Regierung Wohleb tätige Persönlichkeiten: Hermann Fecht (1880-
1952), in Straßburg tätig in der Finanz- und Wirtschaftsabteilung und von 1948 bis 1952 Justizminister
von (Süd-)Baden, und Karl Asal (1989-1984), in Straßburg Ministerialrat im badischen Ministerium für
Kultus und Unterricht und von 1948 bis 1952 Leiter des Landeskulturamts (Süd-)Baden sowie Präsident
des Schwarzwaldvereins. Das glückliche Nachkriegsschicksal der beiden Letztgenannten ist eher die
Ausnahme, viele andere wurden interniert.

Die komplette Verlegung des Kultusministeriums und weiterer Behörden nach Straßburg hatte zur
Folge, dass bei Kriegsende umfangreiches, auch vor 1940 entstandenes Aktenmaterial zurückgelassen
wurde. In geringerem Umfang galt das auch für die Nebenstellen der anderen Ressorts. Martin Stingl, Referatsleiter
in Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA), stellt dar, wie dieses Archivgut in den 1950er-Jahren
zurückgeholt wurde und welche Teile dem Straßburger Staatsarchiv zugefallen sind - nämlich die
ab 1940 in Straßburg entstandenen Akten. Der Titel seines Beitrags „Verschlungene Pfade" bezieht sich
auf die Überlieferungsgeschichte des Schriftguts der badisch-elsässischen NSDAP, ihrer Gliederungen
und der Gauleitung. Der Autor zeichnet sich für die Erschließung einschließlich der Digitalisierung des
Archivguts im GLA verantwortlich und hat damit an den Forschungsergebnissen über die fragliche Zeit
einen positiven Anteil.

Im abschließenden Beitrag untersucht Anne Kwaschik, Professorin für Geschichte und Soziologie
in Konstanz, die Entnazifizierung und Umerziehung in der französischen Zone 1945 bis 1949 mit
Schwerpunkt auf der kulturgeschichtlichen Seite. Sie hinterfragt die beiderseitigen Mentalitäten und Geschichtsbilder
, zeigt am Beispiel des 1947 in der französischen Zone eingeführten Schulatlasses, wie

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