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Lörrach. So gründete er die Gesellschaft der Wiesentalbahn und war an der Errichtung der Freiwilligen
Feuerwehr und der örtlichen Hypothekenbank beteiligt. Auch brachte er die Kreispflegeanstalt Wiechs
auf den Weg.
Die Nähe zur Schweiz und seine langjährigen Aufenthalte in England und Frankreich haben seine
politische Orientierung wesentlich beeinflusst. Nichts wünschte er sich sehnlicher, als dass auch in seiner
Heimat eine republikanische Verfassung erlassen werden würde, wie dies in der Schweiz ab 1848 der
Fall war. Auch die revolutionären Ereignisse in diesen Jahren (1848/1849) in Deutschland hatten seine
Auswirkungen auf Pflügers politisches Denken. Zwar lehnte er jegliche Gewalt ab, er unterstützte jedoch
die Ziele der Revolutionäre.
Nach der Gründung des „Kleindeutschen Reiches" 1871 zählte Pflüger, so Carola Hoecker, zunächst
zu den Bewunderern Bismarcks. Bald aber wandte er sich „angewidert" von ihm und seiner Entourage ab.
Maßgeblich dazu beigetragen haben Bismarcks Schutzzollpolitik, das Sozialistengesetz, die Erhöhung
der Militärausgaben (Flottenpolitik) und die Weigerung der Regierung, die militärische Dienstpflicht
zeitlich zu reduzieren. Auch der Kolonialpolitik der Reichsregierung konnte er nichts Positives abgewinnen
. Er hielt sie weder wirtschaftlich noch sozial für sinnvoll.
In seiner Heimat stieß Pflüger mit seinen Ansichten offensichtlich auf wenig Gegenliebe, denn die
Nationalliberale Partei rückte immer mehr nach rechts. Er verlor deshalb 1885 nicht nur sein badisches
Landtagsmandat, sondern auch sein Amt als Reichstagsabgeordneter in Berlin. Erst als er sich in einem
anderen badischen Wahlbezirk (Karlsruhe-Bruchsal) aufstellen ließ, gewann er seinen Reichstagssitz
zurück. Vorausgegangen war sein Austritt aus der Nationalliberalen Partei und seine Hinwendung zu den
Freisinnigen.
Was nun die Briefe an seine Ehefrau Johanna betrifft, so hat die Autorin Mitteilungen aus Berlin
und Karlsruhe aus den Jahren 1874 bis 1881 vorgestellt. Aus ihnen wird deutlich, welchen Stellenwert in
dieser Verbindung Johanna Pflüger einnahm. Da ging es nicht allein um wirtschaftliche Probleme des
Gasthauses, des Weinbaus und der Landwirtschaft, sondern auch um die Tätigkeit ihres Ehemannes in
Karlsruhe und Berlin. Marcus Pflüger schilderte in seinen Briefen nicht nur seine Aufgaben als Landtagsoder
Reichstagsabgeordneter, er bat seine Frau auch oft um ihre Meinung zu anstehenden politischen und
sozialen Fragen. In ganz liebevoller Weise kümmerte er sich um ihr Wohlergehen und ihre tägliche Arbeit
in Lörrach.
Insgesamt gesehen hat die Autorin mit diesem Buch wesentlich dazu beigetragen, einen konsequenten
Verfechter für demokratische Zustände im Deutschen Reich dem Vergessen zu entreißen. Das Werk
ist mit zahlreichen Illustrationen darüber hinaus recht anschaulich gestaltet worden. Detlef Vogel
Der Isenheimer Altar. Werk und Wirkung, hg. von Werner Frick und Günter Schnitzler, Rombach
Verlag, Freiburg/Berlin 2019, 266 S., 260 Färb- u. S/W-Abb.
Der Isenheimer Altar, heute im Unterlinden Museum in Colmar verwahrt, war ursprünglich etwa zwischen
1512 und 1516 für das Antoniter-Kloster in Isenheim, einem kleinen Dorf in der Nähe von Colmar,
geschaffen worden. Er ist nicht nur einer der bekanntesten Kunstschätze am Oberrhein, sondern seine
Gemälde gehören zu den Hauptwerken der deutschen Malerei überhaupt. Grund genug sich ihm im nahen
Freiburg während der beliebten Samstags-Uni, organisiert von Studium Generale der Universität
Freiburg und der Volkshochschule Freiburg, im Wintersemester 2015/16 zu widmen. Über die seinerzeit
restlos überfüllten Vortragsveranstaltungen hinaus sind der interessierten Leserschaft die einzelnen
Vorträge in einer 2019 erschienenen Publikation zugänglich gemacht worden.
In fünf der neun Beiträge nähern sich verschiedene Kunsthistoriker dem Werk in seiner Deutung,
der Interpretation verschiedener Einzelaspekte, seinem Umkreis und seiner Rezeption durch Künstler
des frühen 20. Jahrhunderts. Ergänzt werden diese Aufsätze durch theologische, literatur-wissenschaft-
liche und musikhistorische Untersuchungen, denn über die bildende Kunst hinaus fand ab dem späten
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